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CTRL-S and CTRL-S RGB

Galerie am Meer
Düsseldorf, Germany

with a text by Dr. Emmanuel Mir below (german only)

‚redefining concept art‘ was a comment on facebook when parts of the project were published to a wider audience for the first time. Indeed CTRL-S and the extended video-installation CTRL-S_RGB are very minimalistic and conceptual pieces. the work is clearly situated in the digital and postinternet context and deals with the phenoma of making, and saving pics as an everyday action. Pictures are obviously one of the most import messaging-tools of ours time. but the action of making and sving them has become also very important to us. making and saving pictures in an overwhelming, awesome situation seems to give as security. Control and save are metaphers for the deeply concerned society of the ‚western world‘. CTRL-S deals with the topics control, savety and image.

CTRL-S is a formal strict typographic textinstallation created for the whitecube. it was presented for the first time 09th octobre 2015 at galerie am meer in düsseldorf, germany.
the whole setting consists of one empty room with 3 slightly similar but different sentences printed in black letters on the white wall.

In the second room CTRL-S-RGB was installed as a video-projection. It is deployment of the typgraphic form of CTRL-S, it extends the idea into the colorspace of RGB. in each screen the colors are exchanged, so text-meassage and colours never fit together.

CTRL-S is about: #Images, #NoImages, #Controll, #RGB, #Internet, #DigitalizedReality, #Security, #Fear, #SavingImages, #Archives, #SpaceAsArchive, #PeopleInImagesInSpace, #ControllByTechnology, #FormalizationByTechnology, #FormatingReality, #PostNetArt, #ContextArt, #ConceptArt

























Das nennt man Nominalismus.

ein Text von Dr. Emmanuel Mir
zur Ausstellung von Florian Kuhlmann in der Galerie am Meer

Auf den ersten Blick erscheint die Galerie am Meer unbespielt. Nur diese Beschriftungen an den drei Wänden des ersten Raumes unterbrechen die Leere. Sonst nichts. Dezent aber deutlich lesbar stehen in großen Buchstaben kurze, kryptische Einzeiler, ohne Punkt und Komma, fast in Augenhöhe zum Betrachter. Dieser muss einen gewissen Abstand einnehmen, um den kompletten Satz zu erfassen. Und er muss den Satz lesen, denn diese Zeilen sind keine Einladung, sondern eine Aufforderung. Eine Aufforderung zum Lesen. Er liest den Satz ein erstes Mal, versteht in etwa dessen groben Inhalt bzw. dessen semantische Struktur, liest den Satz ein zweites Mal, weil er die Bedeutung doch nicht vollständig begriffen hat, stolpert möglicherweise über den einen oder anderen Begriff bzw. über die eine oder andere Abkürzung, liest den Satz ein drittes Mal und wiederholt die Operation so lange, bis er meint, im Bilde zu sein. Irgendwann liest er den zweiten, später noch den dritten Satz an den anderen Wänden. Er erkennt sofort ein Muster, stellt fest, dass einzelne semantische Einheiten von einem Satz zum anderen ausgetauscht wurden, so dass die jeweilige Aussage sich dadurch komplett verändert hat, und versucht, die Unterschiede zu erkennen.

Kuhlmanns Sätze sind keine Statements in gewöhnlichem Sinne. Es sind keine Aphorismen und keine literarischen Zitate. Sie wirken weder narrativ noch philosophisch. Zunächst erscheint ihre semantische Struktur autokonstitutiv, iterativ und selbstdeskriptiv. Es entsteht eine Vermutung: Diese Sätze verweisen nur in sehr beschränkter Weise auf eine externe Realität außerhalb ihrer eigenen Realität. Zum großen Teil beschreiben sie sich selbst, sind ihre eigene Referenz. In diesen Sätzen decken sich Signifikat und Signifikant beinah perfekt. Wie in der Kabbalistik, in der das gesprochene oder geschriebene Wort einem vollständigen Schöpfungsakt mit materiellen Konsequenzen gleicht und das Verbalisieren als eigentliche Handlung gilt, beschwören sich diese Sätze selbst herauf. Das ist das Magische in der spröden Nüchternheit dieser Arbeiten. Trotz der großen ästhetischen Zurückhaltung von CTRL-S findet eine Sublimation statt, die der Rezipient als Autor wider Willen vollzieht. Das Lesen wird zum schöpferischen Akt gemacht; der Satz bekommt erst seine Immanenz im Akt der Rezeption.

Kuhlmanns Wortfixierung strahlt eine naive protestantische Reinheit aus, die entweder von kindlicher Arglosigkeit oder von rücksichtsloser Konsequenz zeugt. Das Wort wird weltkonstituierend; der Name ist nicht nur Programm – er ist die Matrix schlechthin. Das Wort erschafft die Welt. Diese Welt ist nicht eine mythische Welt voller versteckter Bedeutungen und suggestiver Figuren. Es ist die Welt der Systeme und der medialen Phänomene, streng deskriptiv und rational, formalisiert durch eine scharfe und schmucklose Sprache, die an den Fundamentalismus eines Ludwig Wittgenstein erinnert. What you see is what you see, sagt Frank Stella in den 1970er Jahren. What you see is what you get, lautet ein beliebter Spruch in der IT-Welt zehn Jahre später. Kuhlmann, der seine Wurzeln sowohl in der Kunst als auch in der digitalen Sphäre hat, scheint die Präzision und die Reduktion dieser Aussagen verinnerlicht zu haben. Aber wenn man ein wenig genauer in diese Sätze eintaucht, entdeckt man schnell, dass sie doch nicht so streng selbstreferenziell sind, wie sie zunächst wirken.

Manche Satzglieder verweisen nämlich doch auf externe Dinge ohne inhärenten Bezug zum Satz selbst. Nimmt man beispielsweise die Wandbeschriftung „‘JPG‘ written in black Arial on white canvas saved as png.gif“: Trotz des selbstreferenziellen Anfangs der Aussage wird eine Abfolge von medialen Übersetzungen („weiße Leinwand“, „png“, „.gif“) impliziert, die vom Betrachter/Leser imaginiert werden müssen. Das Morphem „JPG“ (das selbst nichts bedeutet, denn es ist nur der Code eines Komprimierungsformats) durchläuft eine kurze Bearbeitungskette, von seiner schriftlichen Fixierung zu seiner Übertragung auf Leinwand und zu seiner Zwischenspeicherung als png-Bilddatei (nachdem es fotografiert wurde? nachdem es gescannt wurde?), die, wie die Interpunktion suggeriert, selbst in einer gif-Datei umgewandelt wurde. Obwohl sie brav von links nach rechts entrollt wird, linear strukturiert und frei von grafischen Verzierungen ist, lässt sich die Zeile nicht auf Anhieb erfassen. Der Rezipient spielt im Kopf alle Transformationen durch, die der Satzkonstituent „JPG“ durchmacht, bis er als gif gespeichert wird. Und wird sich dabei gewahr, dass dieser Satz doch eine ganze Welt beinhaltet: die Welt der digitalen Verwandlungen einer Information, die sich hinter drei Buchstaben versteckt. Die Welt einer Metamorphose, deren Fakten an einer Wand protokolliert werden. Die Vermutung einer strengen Selbstreferenzialität erhärtet sich beim genauen Hinschauen also doch nicht; diese Sätze versetzen den Leser doch in eine Welt außerhalb der vier Wände der Galerie am Meer.

Aber wohin? Nirgendwohin und überall hin. Denn diese Welt ist die immaterielle, körperfreie Welt der digitalen Bearbeitung von Informationen aller Art. Eine Welt voller Nuller und Einser, voller Codes und kryptischer Angaben, die trotz ihres hohen Abstraktionsgrades eine direkte Auswirkung auf unsere physische Welt ausüben. Die Manipulierbarkeit dieser Welt interessiert den Künstler und Programmierer Florian Kuhlmann. Er blickt auf die proteischen Fähigkeiten der neuen Technologien und, ohne sie moralisch bewerten zu wollen, ohne sie politisch kommentieren zu wollen, zeigt er uns auf, wie unsere physische Welt sich durch diese körperlose Welt verändert hat. Vor einigen Jahren, als die erste User-Generation von der digitalen Welle erfasst wurde, surfte man noch von einer Seite zur anderen, von einem Content zum nächsten, ließ sich von einer Information zu einer neuen Information treiben. Es war die utopische Ära des Internets, als man meinte, das Superwerkzeug würde die Zirkulation von Wissen und damit die Aufklärung und die politische Mündigkeit beschleunigen. Retrospektiv gesehen, war dies eine sinnerfüllte Zeit; jeder Abfolge von Nuller und Einser, jeder Code hatte eine Bedeutung und die Wurzeln des Baums des Wissens entwickelten sich rasch in alle Richtungen.

In der neuen, aktuellen Ära des Internets surft der User nur noch von einem Speicherungs- zu einem Komprimierungsformat, von einem TIFF- zu einem JPEG-Bild, von einer visuellen Information zu ihrer Übersetzung. Es ist die Ära der immer gleichen Kerne in immer changierenden Hüllen. Der Inhalt ist egal, Hauptsache es fließt schnell und auf allen Kanälen. Es ist die Ära des Copy and Paste, des Redit, des Speicherns und des Teilens. CTRL-S, CTRL-C, CTRL-V. Ohne Sinn und Verstand. Von Facebook auf den Blog, auf die Festplatte, auf die Playlist, auf Instagram, auf Facebook, auf die SD-Karte. Auf die anfängliche Vernetzung von Wissen folgt eine unüberlegte Verbreitung des mehr oder minder Relevanten. Es wird alles verlinkt und gelikt, es wird alles transformiert und transferiert. Das WWW füllt sich mit Kopien von Kopien von Varianten von Doubeln von Kopien von Übersetzungen von Varianten von Wiederholungen von Kopien. Florian Kuhlmann ist mittendrin und hält dieser Entwicklung einen Spiegel vor. Er spitzt das Ganze nur wenig zu, schreibt inhaltsfreie Sätzen auf eine Wand oder – im nächsten Raum der Galerie am Meer – projiziert inhaltsfreie Sätze auf eine Wand (in einer farbigen Version, die, nach dem visuellen Ödnis des ersten Raums, poppig und unerträglich grell vorkommt). Er schafft Anti-Ikonen. Die Ikone, das Bild des Heiligen, wurde gemalt um getragen, geküsst, angesprochen, angebetet, angefasst und mit Tränen und Speichel benetzt zu werden. Wie verhält es sich aber mit digitalen Bildern, die ihren Körper und ihre materielle Substanz abgelegt haben und nur noch Informationen sind? Bilder ohne Rückgrat, ohne Fleisch und ohne Saft. Bilder mit dem einheitlichen Glanz und dem normierten Farbspektrum eines HP- oder Canon-Druckers? Und wie verhält es sich mit den Bildern der Bilder der Bilder?

Mit einem schrulligen Humor, der an den absurden und entlarvende Übertreibungen von Dada erinnert, treibt Kuhlmann so etwas wie Medienkritik. Aus diesem Grund ist es falsch, diese Wandarbeiten mit den Statements von Lawrence Weiner, mit manchen Arbeiten von Robert Barry oder gar von Ed Rusha zu vergleichen. Die Einordnung in eine sprachphilosophisch geprägte Strömung der Minimal Art und Concept Art mag stimmen, aber anders als seinen illustren Vorgänger blickt Kuhlmann resolut auf die neuesten Entwicklungen in der digitalen Sphäre, so dass das Philosophische bzw. Ästhetische in den Hintergrund geraten.